Große Baustellen für gleiche Teilhabe

Behindertenpolitik Katrin Werner

Im Wortlaut von Katrin Werner, 03. Dezember 2017

Menschen mit Behinderungen werden in Deutschland immer noch massiv an Teilhabe gehindert. In allen gesellschaftlichen Bereichen stehen sie vor Barrieren und Diskriminierungen, sei es in der Bildung, der Arbeitswelt, dem Gesundheitssystem oder im öffentlichen Raum.

Eine der Grundvoraussetzungen für eine inklusive Gesellschaft wäre ein Bildungssystem an dem alle gleichermaßen und unabhängig von individuellen Beeinträchtigungen teilhaben können. Derzeit existiert ein solches System in Deutschland nicht. Weder in der frühkindlichen Bildung noch im Schulsystem ist das gemeinsame Lernen aller Kinder verwirklicht. Der überwiegende Teil von SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf wird immer noch in Förderschulen unterrichtet. 71 Prozent der SchülerInnen die eine Förderschule besuchen, erreichen keinen Hauptschulabschluss. Hier beginnt die Ausgrenzung aus der Mitte der Gesellschaft und sie zieht sich im gesamten Lebensverlauf fort.

Die Arbeitslosenquote von Menschen mit Schwerbehinderungen liegt seit Jahren stabil 5 Prozentpunkte über der allgemeinen Arbeitslosenquote. Die Zahl der Menschen, die in einer Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt sind, steigt stetig. Über 300.000 Menschen arbeiten dort und sind damit vom allgemeinen Arbeitsmarkt, tariflicher Entlohnung und vom Mindestlohn ausgeschlossen. Der allgemeine Arbeitsmarkt muss endlich inklusiver werden. Unternehmen müssen stärker verpflichtet werden, Menschen mit Behinderungen zu beschäftigen. Dazu ist zum Beispiel eine Erhöhung der Ausgleichsabgabe dringend notwendig. Es muss aufhören, dass sich Unternehmen billig freikaufen können, statt Menschen mit Behinderungen zu beschäftigen.

Auch im Gesundheitssystem sieht es nicht besser aus. Nur 11 Prozent von 196.00 befragten Arzt- und Zahnarztpraxen geben an, 3 von 12 Kriterien zur Barrierefreiheit zu erfüllen. Der Teilhabebericht der Bundesregierung kommt sogar zu dem Schluss, dass es in Deutschland keine flächendeckende Versorgung von barrierefreien hausärztlichen Praxen gibt. Gerade in ländlichen Regionen sind Menschen mit Behinderungen daher häufig nicht hausärztlich versorgt. Barrieren beim Zugang zu Arztpraxen und Krankenhäusern müssen beseitigt werden. Untersuchungstechniken, Behandlungsmethoden und die Kommunikation müssen den besonderen Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen angepasst werden.

Die Baustellen für die neue Wahlperiode sind groß und dies sind nur wenige Beispiele von Ausgrenzung und Diskriminierung, auf die wir anlässlich des Internationalen Tags der Menschen mit Behinderungen aufmerksam machen möchten. Das Behindertengleichstellungsgesetz und das Bundesteilhabegesetz, die in der vergangenen Wahlperiode von der Groko verabschiedet wurden, werden kaum etwas an der Ausgrenzung ändern. Teilhabe ist weiterhin vom Geldbeutel der Betroffenen abhängig, an den Barrieren in Arbeit, Bildung und Gesundheit ändert sich nichts und private Unternehmen werden nicht zur Schaffung von Barrierefreiheit verpflichtet. Es ist höchste Zeit für eine menschenrechtsbasierte Kehrtwende und für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, die bereits jetzt schon geltendes Recht in Deutschland ist. Alle Menschen müssen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen. DIE LINKE. wird dafür weiterhin mit den Betroffenen im Parlament und auf der Straße kämpfen.