Katrin Werner, DIE LINKE: Freiwilligendienste - Offene Themen konsequent anpacken

Rede - Freiwilligendienste: Offene Themen konsequent anpacken

PM Katrin WernerRede Katrin WernerPM Kinder, Jugend und FrauenPM Sozialpolitik

Freiwilligendienste sind ein guter Bildungs- und Orientierungsort. Junge Menschen können dort ihre Fähigkeiten weiterentwickeln und herausfinden, was sie im Leben tun wollen. Es ist gut, wenn Jugendliche zukünftig einen Bundesfreiwilligendienst, ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr in Teilzeit leisten können. Doch es braucht mehr um die Programme weiterzuentwickeln und attraktiver zu gestalten. Die Themen Arbeitsmarktneutralität, Anerkennungskultur, pädagogische Begleitung und Teilhabe unterrepräsentierter Gruppen müssen angepackt werden.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Viele kennen das: Junge Menschen sind mit der Schule fertig, wissen aber noch nicht, welche Ausbildung oder welches Studium sie beginnen wollen. Sie wollen sich engagieren. Sie wissen noch nicht, welchen Beruf sie sich wünschen. Sie brauchen erst einmal Orientierung. – 80 000 Menschen leisten jedes Jahr einen Freiwilligendienst, im Bundesfreiwilligendienst, im Freiwilligen Sozialen oder im Freiwilligen Ökologischen Jahr. An dieser Stelle ein großes Dankeschön an alle Freiwilligen, aber auch an die Träger und Organisatoren für dieses ehrenamtliche Engagement, für diese großartige Leistung für die Gesellschaft.

(Beifall bei der LINKEN)

Seit Jahren sind Verbesserungen in ebendiesen Freiwilligendiensten notwendig. Heute diskutieren wir über den Entwurf eines Gesetzes, das es jungen Menschen ermöglichen soll, im Bundesfreiwilligendienst, im Freiwilligen Sozialen Jahr oder im Freiwilligen Ökologischen Jahr den Dienst auch in Teilzeit zu leisten. Das Engagement von Menschen mit Behinderung, von Müttern und Vätern, von Menschen, die ihre Kinder betreuen oder Angehörige pflegen, wird damit erleichtert.

Die Erwartungen an diesen Gesetzentwurf waren groß; denn der Bildungs- und Orientierungscharakter der Freiwilligendienste muss ausgebaut werden. Frau Giffey, wir finden, dass Sie mit diesem Gesetzentwurf leider nur einen kleinen Schritt gehen. Die großen Themen werden mit diesem Gesetzentwurf nicht angepackt.

(Beifall bei der LINKEN)

In der ersten Lesung habe ich schon darauf hingewiesen, dass der Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement fraktionsübergreifend viele Vorschläge gemacht hat. Wir haben Ihnen ein Schreiben mit Empfehlungen zugeschickt, wie man diese Freiwilligendienste weiterentwickeln könnte. Leider haben Sie diesen fraktionsübergreifend vorhandenen Rückenwind nicht genutzt, um die Vorschläge in den Gesetzentwurf einzuarbeiten.

Vieles fehlt in Ihrem Gesetzentwurf. Nicht aufgenommen wurden die Vorschläge zur Verbesserung der Anerkennungskultur. Wir finden, dass wir einen Bundesfreiwilligenpass brauchen, der Vergünstigungen bei Kultur-, Freizeit- und Sporteinrichtungen ermöglicht. Warum haben Sie nicht die Initiative „Freie Fahrt für Freiwillige“ im öffentlichen Nahverkehr aufgegriffen? Was spricht überhaupt dagegen, diese Ideen aufzugreifen?

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Vorschläge zur Arbeitsmarktneutralität sind nicht aufgegriffen worden. Reguläre Arbeitsplätze dürfen nicht durch Freiwillige besetzt oder gar deren Schaffung verhindert werden. Es fehlen Vorschläge zur Verbesserung der pädagogischen Bildung. Immer noch arbeiten viele Kräfte bei den Trägern auf Honorarbasis. Dabei wollen wir doch den Bildungscharakter dieser Freiwilligendienste stärken. Es fehlen Vorschläge, wie Angehörige solcher Gruppen, die in den Freiwilligendiensten zurzeit unterrepräsentiert sind, besser beteiligt werden können, also Menschen aus bildungsfernen Schichten und Menschen mit Migrationshintergrund. Das müssen wir dringend ändern.

(Beifall bei der LINKEN)

An dieser Stelle kurz zum FDP-Antrag. Herr Aggelidis, Sie sprachen wieder von älteren Menschen. Im Ausschuss sagten Sie gestern, Sie wollten damit auch einen Beitrag dazu leisten, die Einsamkeit älterer Menschen zu reduzieren. Sie sprechen hier von Zwängen und sagen, man solle nicht lenken. Sie wissen aber schon, dass viele ältere Menschen sich schon jetzt im Bundesfreiwilligendienst engagieren, und Sie wissen auch, dass die Zahlen belegen – das sagen Sie selber –, dass sie das teilweise auch machen, um ihre Rente aufzubessern.

(Grigorios Aggelidis [FDP]: Das habe ich gesagt?)

– Ich habe gesagt, dass man das von diesen älteren Menschen weiß. – Damit ist doch schon ein Zwang da, dass ältere Menschen, deren Rente nicht zum Leben reicht, in diesen Job reingehen sollten. Es ist richtig, dass wir älteren Menschen Angebote unterbreiten müssen, sich mit ihrer Lebenserfahrung zu engagieren. Wir finden nur, dass es andere Mittel und Wege dafür gibt. Man braucht eine Rente, von der man leben kann.

(Abg. Grigorios Aggelidis [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

– Wollen Sie eine Nachfrage stellen?

Vielen Dank für Ihre Frage, ob ich eine Zwischenfrage stellen möchte, Frau Werner. – Sie sind nicht die Einzige, die auf dieses Thema eingegangen ist. Sie wissen aber schon: Wenn es uns darum ginge, dann würden wir jetzt nicht eine Flexibilisierung im Sinne einer Reduzierung der Stundenzahl beantragen; denn damit erzielt man keinen substanziellen finanziellen Ertrag. Es geht in dieser Konstellation eher um Anerkennung. Wenn es um Geld ginge, dann würden wir hier nicht über weniger Stunden reden, sondern über mehr Stunden, sofern das überhaupt geht. Diesen Zusammenhang kennen Sie schon, oder?

Das steht ja in Ihrem Antrag. Dieser Zusammenhang ist aus Ihrem Antrag herauszulesen. Ich glaube, gerade bei älteren Menschen ist dieses Engagement auch nur in Teilzeit möglich. Senioren, die Enkelkinder und andere Verpflichtungen haben, auch noch einen Vollzeitfreiwilligendienst aufzulasten, das wäre ja noch schräger.

(Beifall bei der LINKEN)

Trotz alledem kann ein Freiwilligendienst nicht zur Aufbesserung der Rente genutzt werden.

(Grigorios Aggelidis [FDP]: Das ist auch gar nicht gemeint!)

Damit wird ein grauer Arbeitsmarkt geschaffen. Setzen Sie sich dafür ein, dass Rente armutsfest sein muss, dass man von Rente leben kann. Setzen Sie sich für eine Kultur der Anerkennung von Senioren ein. Stärken Sie Seniorenbeiräte und Seniorenbüros in den Kommunen. Setzen wir uns dafür ein! Natürlich müssen wir auch für eine bessere Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr sorgen, sodass man sich auch im ländlichen Raum mit dem öffentlichen Nahverkehr fortbewegen kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Das sind doch effektive Maßnahmen, um Senioren stärker am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen und im Bereich des ehrenamtlichen Engagements einzubinden.

(Beifall bei der LINKEN)

Noch einmal ganz kurz zu dem Gesetzentwurf.

Ja. – Frau Giffey, Sie sprachen im Zusammenhang mit diesem Gesetzentwurf von einem Konzept. Uns kommt das vor wie ein Beipackzettel. Wir brauchen aber konkrete Verbesserungen, wir brauchen keinen Beipackzettel zu einem Gesetz. Gehen Sie das an. Klären Sie die vorhandenen Mängel. Legen Sie einen weiteren Gesetzentwurf vor, mit dem die Fragen „Arbeitsmarktneutralität“ und „bessere Bildung“ geklärt werden. Lassen Sie uns gemeinsam noch viel bewegen!

Danke.

(Beifall bei der LINKEN)