Rede in Kandel zur Demonstration am 24.03.2018, Katrin Werner DIE LINKE

24.03.2018 Rede in Kandel

Am 24. März fand in Kandel eine weitere Demonstration des rechten Bündnisses „Kandel ist überall“ statt. Dem Aufmarsch stellten sich zahlreiche Menschen unter dem Motto „Wir sind Kandel“ entgegen. Die rechte Demonstration war zwar kleiner als der vorangegangene Aufmarsch am 03. März. Dennoch waren sowohl die Demonstration und ihr Mobilisierungspotential als auch die propagandistische Ausschlachtung des Mordes an Mia durch rechte Organisationen erneut erschreckend. An beidem zeigt sich die Strategie der Neuen Rechten im Kampf um gesellschaftlichen Einfluss. AfD und „Identitäre Bewegung“, aber auch klassische Neonazis führen einen Kampf um die Köpfe, die Straße, das Internet und letztlich um die Diskurshoheit. Das heißt, sie versuchen zu bestimmen, worüber und wie über Themen gesprochen wird. Das rechte Spektrum will eine gesellschaftliche und kulturelle Vorherrschaft erlangen. Das Grundkonzept ist nicht unbedingt neu. Jedoch hat es mehr Erfolg, als noch vor einigen Jahren. Die klassischen Neonazis waren und sind (noch) wenig anschlussfähig für viele Menschen, auch für diejenigen, die antisemitische, rassistische, antidemokratische und autoritäre Einstellungen eigentlich selbst vertreten. Die sogenannte Neue Rechte hingegen distanziert sich zum großen Teil vom Rassismus alter Prägung. Es wird nicht mehr von „Rassen“ sondern von „Kulturen“ oder von „Ethnien“ gesprochen. Die Völker sollten alle in ihren angestammten Räumen leben, kulturelle Beeinflussung sei grundsätzlich schädlich. Ausgrenzung, Abschottung und Rassismus werden also anders verpackt. Sie kommen ohne Hakenkreuz und Wehrmachtsbilder daher. Die Sprache ist jugendlich, gerne etwas intellektuell angehaucht und frei von offenen Bezügen auf den Nationalsozialismus. Straftaten, die von Migrant*innen begangen werden, werden verallgemeinert. Sie dienen als vermeintliche Beweise dafür, dass diese Gruppe grundsätzlich kriminell und gefährlich sei. Es werden also nicht einzelne Straftäter*innen beschuldigt, wie das bei deutschen Straftäter*innen geschehen würde. Es werden ganze Gruppen von Menschen mit in Haftung genommen. Man stelle sich zum Vergleich vor, nach den NSU-Morden sei vor Deutschen im Allgemeinen gewarnt worden. Die Strategie besteht also in einer rein sprachlichen Entschärfung und zugleich im Vorbringen angeblicher Beweise gegen bestimmte Gruppen von Menschen. So werden Rassismus und ähnliche Einstellungen salonfähig. Sie können dadurch in der Gesellschaft ausgesprochen werden und gewinnen an Akzeptanz. Es wird auch ein Gemeinschaftsgefühl erzeugt, das auf Ab- und Ausgrenzung beruht. „Wir“ sind die Volksgemeinschaft, die von „denen“ bedroht wird, so die einfache Denkweise. Das verbindende Element ist der Hass auf die, die von außen kommen, und ganz besonders auf „die da oben“, die „das eigene Volk“ verraten oder sogar austauschen wollen. Solche Feindbilder haben eine Funktion: sie bieten eine einfache (und falsche) Erklärung für eigene Ängste. Sie geben zugleich das Gefühl, zu einer besonderen Gemeinschaft zu gehören. Egal was passiert, man ist Teil dieses Volkes. So werden Ängste vor sozialem Abstieg und vor gesellschaftlichen Veränderungen abgewehrt. Die realen Probleme, durch die diese Ängste entstehen, etwa der voranschreitende Sozialabbau oder unsichere Arbeits- und Lebensverhältnisse, werden überhaupt nicht berührt. Diese Strategie zeigt Wirkung. Darum ist es umso wichtiger, dass sich die Zivilgesellschaft, Gewerkschaften, Jugendgruppen, Parteien und Vereine, gegen die Rechten zur Wehr setzen – und das an 365 Tagen im Jahr.

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