Ausbeuterischer Kinderarbeit

Katrin Werner, Deutscher Bundestag

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,

Kinder sind unsere Zukunft und bedürfen besonderen Schutz. Die Internationale Arbeitsorganisation, ILO, schätzt, dass weltweit zwischen 126 und 165 Millionen Kinder unter sklavenähnlichen Bedingungen schonungslos ausgebeutet werden. Die Länder des Südens sind besonders stark betroffen. Die Ursache ist meist Massenarmut, die dazu führt, dass Eltern die Arbeitskraft ihrer Kinder verkaufen müssen. Die Kinder schuften oftmals unter extrem ausbeuterischen Bedingungen zu Hungerlöhnen oder unentgeltlich in der Plantagenwirtschaft, in Steinbrüchen, in der Sexindustrie oder in reichen Privathaushalten, um die Schulden ihrer Eltern abzuarbeiten und den Lebensunterhalt für ihre Familien zu verdienen. Das ist nichts anderes als Sklaverei! Infolge der globalen Waren- und Handelsströme gelangen allerdings zahlreiche Produkte, die unter ausbeuterischer Kinderarbeit hergestellt werden, auch in die EU und die Bundesrepublik. Allein zwei Drittel aller in Deutschland aufgestellten Grabsteine stammen aus Indien. Dort arbeiten ca. 150.000 Kinder in häufig lebensgefährlichen Steinbrüchen.

Importgeschäfte dieser Art sind ein Skandal, der unverzüglich beendet werden muss! Wir können unsere Toten nicht mit Grabsteinen ehren, deren Herstellung sämtlichen moralisch-ethischen Standards widerspricht und das Leben von Kindern gefährdet! Diese ausbeuterische und schwere körperliche Arbeit führt häufig zu Knochenbrüchen von Armen und Beinen, Taubheit, Blindheit, Atemwegproblemen und Hauterkrankungen oder schlimmstenfalls zum Tod.

Ebenso wenig dürfen wir verdrängen, dass auch bei uns Kinder unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten müssen. Ich denke hierbei insbesondere an Kinder, die von skrupellosen Menschenfängern als Sexsklavinnen und Sexsklaven nach Deutschland verschleppt werden.

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Bundesrepublik hat bereits im Jahr 2002 die ILO-Konvention 182 über das Verbot der schlimmsten Formen von Kinderarbeit ratifiziert. Dies verlangt ein aktives Vorgehen der Bundesregierung gegen Arbeitsversklavung und Schuldknechtschaft von Kindern, gegen Kinderhandel, gegen Prostitution und Kinderpornografie und gegen Kindersoldaten. Allerdings nützt das beste internationale Abkommen zum Schutz von Kindern nichts, solange nicht effektive Maßnahmen zu seiner Umsetzung ergriffen werden. Den Worten müssen auch international wirksame Taten folgen! Kinderhandelsringe nach und in Deutschland müssen zerschlagen und die Täter müssen härter bestraft werden!

Die LINKE fordert, vor allem die Ursachen für ausbeuterische Kinderarbeit stärker zu bekämpfen! Dies bedeutet, deutlich mehr Mittel zur weltweiten Armutsbekämpfung zur Verfügung zu stellen. Deutschland hat die vereinbarte Zusage, 0,7 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für die Entwicklungszusammenarbeit auszugeben, bis heute nicht eingehalten. Dies ist schon unter Rot-grün und Schwarz-Rot so gewesen und hat sich unter Schwarz-gelb nicht geändert. Deutschland muss endlich seine internationalen Verpflichtungen erfüllen! Sonntagsreden eines vermeintlich „mitfühlenden Liberalismus“ sind dafür kein Ersatz!

Die LINKE unterstützt den mehrheitlichen Beschluss des Bundesrats vom 9. Juli 2010, den Marktzugang von Produkten aus ausbeuterischer Kinderarbeit zu verhindern. Die Bundesregierung muss sich in der WTO und auf EU-Ebene umgehend für ein diesbezügliches Importverbot einsetzen. Falls dies nicht gelingt, müssen zumindest künftig die Herstellungsbedingungen von importierten Gütern lückenlos dokumentiert werden. Produkte, die durch ausbeuterische Kinderarbeit gewonnen werden, müssen von den Verbraucherinnen und Verbrauchern auch klar als solche erkannt werden können. Sie sollen wissen, unter welchen Bedingungen Produkte hergestellt werden, bevor sie auf den EU-Binnenmarkt gelangen. Unseren Konsumentinnen und Konsumenten muss bewusst werden, ob die schicke Goldkette mit den kleinen Händen von Kindern gefertigt wurde. In Burkina Faso arbeiten zwischen 60.000 und 200.000 Kinder in Goldminen. Rund 70 Prozent sind unter 15 Jahre alt, schon Fünfjährige müssen beim stundenlangen Goldwaschen im kalten, schlammigen Wasser mithelfen. Unsere Gesellschaft stigmatisiert bislang meist die Schwächsten und betreibt gern Sündenbocksuche. Stattdessen gehören die Verursacher, profitgierige Großkonzerne und deren Zwischenhändler an den Pranger! Sie fördern mit ihrem Preisdumping ausbeuterische Kinderarbeit in den ärmsten Ländern. Dem kann mit einer Kennzeichnungspflicht ein Riegel vorgeschoben werden. Ich bin mir sicher, dass sich das Kaufverhalten der Bevölkerung dadurch ändern wird. Wenn ausbeuterische Kinderarbeit durch die Verbraucherinnen und Verbraucher geächtet wird, ist sie für Firmen auch nicht mehr lukrativ! Erfahrungen aus anderen Bereichen wie mit Fair-Trade-Produkten oder Zertifikaten über eine ökologische Anbauweise belegen dies.

Sehr geehrte Damen und Herren,

es geht aber nicht nur darum, mit effektiveren Produktions- und Handelskontrollen zu verhindern, dass künftig Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit zu uns gelangen. Wir müssen uns auch mit den in Deutschland bereits vorhandenen Produkten auseinandersetzen. Dies betrifft konkret indische Grabsteine auf deutschen Friedhöfen, aber auch Natursteine oder Fensterplatten aus Marmor für den Eigenheimbau, die nachweislich durch ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt wurden. Friedhofsatzungen von Kommunen in Bayern und Rheinland-Pfalz, die das Aufstellen betreffender Grabsteine verbieten, wurden nach erfolgreichen Klagen von Steinmetzbetrieben für unwirksam erklärt. Dies zeigt, dass das Problem auf kommunalpolitischer Ebene nicht gelöst werden kann und der nationale Gesetzgeber gefordert ist. Die Bundesregierung muss daher sofort ein gesetzliches Verbot für die Einfuhr, den Handel und die Verwendung von Steinprodukten aus ausbeuterischer Kinderarbeit erlassen! Der weltweite Schutz der Kinderrechte muss Vorrang haben vor den Profitinteressen von Unternehmen! Ich denke, hierüber sollte über Fraktionsgrenzen hinweg Einigkeit bestehen. Vielen Dank!