Die Bekämpfung der Armut

Katrin Werner, Parlamentarische Versammlung des Europarates

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,

im Namen meiner Fraktion, der Vereinigten Europäischen Linken, möchte ich mich zuallererst bei Herrn Volonté für diesen guten Bericht bedanken.

Ja, es ist wahr: Europa wird immer reicher und die Armut in Europa nimmt zu. Sie ist auch ein Resultat aus der Finanz- und Wirtschaftskrise. Doch Armut gab es bereits vorher. Sie ist Resultat konkreter politischer Entscheidungen. Schon 2008 mussten 42 Millionen EU-Bürger mit erheblichen materiellen Entbehrungen leben.

Armut ist ein hausgemachtes Problem. Wenn die Europäische Union heute als Antwort auf die Finanz- Wirtschaftskrise etwa Griechenland oder Portugal zu einem radikalen Sparkurs zwingt, dann verursacht das noch mehr Armut. Grundlegende soziale, wirtschaftliche und kulturelle Menschenrechte werden dabei in Frage gestellt.

Es braucht den politischen Willen, um „der Armut ein Ende zu setzen“, wie Sie richtigerweise fordern, Herr Volonté. Die Finanz- und Steuerpolitik muss sich auch auf nationaler Ebene an den sozialen und ökologischen Erfordernissen unserer Gesellschaft ausrichten. Politik muss sich an den Bedürfnissen der Menschen orientieren.

Wir brauchen Investitionen in Bildung, nicht nur für junge Menschen, um sie vor späterer Armut zu schützen. Bildung begleitet uns ein Leben lang. Viele gesellschaftliche Gruppen sind von Armut betroffen – z.B. Erwerbslose, ältere Menschen, Menschen mit Behinderung, ethnische Minderheiten. Oft werden diese Menschen, wenn sie um Hilfe ersuchen, gesellschaftlich stigmatisiert. In der Vorlage wird drauf hingewiesen, dass sie nicht nur materielle Leistungen, sondern auch soziale Integration und politisches Gehör brauchen.

Wir müssen den vollständigen Zugang zu Beschäftigungsmöglichkeiten, angemessener medizinischer Hilfe und Wohnraum ohne Diskriminierung garantieren. Wir brauchen Mindesteinkommensgarantien, um Menschen vor Armut zu schützen und die Binnenkaufkraft zu stärken. Und wir brauchen einen gesetzlich geregelten Mindestlohn.

Sehr geehrter Herr Volonté, bei diesen Forderungen haben Sie die Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken an Ihrer Seite. Hier in Straßburg scheinen wir irgendwie alle Sozialistinnen und Sozialisten zu sein. National redet und lebt es sich leider viel zu oft ganz anders. Ich hoffe, Sie können sich mit ihren Forderungen nach Mindestlohn, Mindesteinkommen, nach einem menschenwürdigen Umgang mit armen Menschen nicht nur hier in Straßburg Gehör verschaffen, sondern auch in den einzelnen Ländern. Persönlich würde ich mich freuen, wenn Sie die Bundeskanzlerin Angela Merkel und die deutsche Delegation ihrer EVP von Ihren Forderungen überzeugen können. Wenn Sie möchten, gehen wir diesen Weg zusammen.