Katrin Werner: Gleichstellung und Nichtdiskriminierung beim Zugang zur Justiz

Gleichstellung und Nichtdiskriminierung im Hinblick auf den Zugang zur Justiz

Katrin Werner, MdB
Behindertenpolitik Katrin Werner

Parlamentarische Versammlung des Europarates 2. Teilsitzung der Sitzungsperiode 2015

Rede zum Tagesordnungspunkt 23: Gleichstellung und Nichtdiskriminierung im Hinblick auf den Zugang zur Justiz (Dok. 13740)

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin (Sehr geehrter Herr Präsident),
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

vielen Dank an den Berichterstatter auch im Namen der Europäischen Linken für den Bericht und Ihre Analyse.
Als Behindertenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Deutschen Bundestag ist mir ein gleichberechtigter Zugang zur Justiz für ALLE Menschen besonders wichtig.
Artikel 13 „Zugang zur Justiz“ der UN- Behindertenrechtskonvention beinhaltet, dass die Vertragsstaaten sicherstellen, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen Menschen wirksamen Zugang zur Justiz haben. Der barrierefreie Zugang ist dabei für alle Beteiligten, also auch für Zeugen und Zeuginnen, durch verfahrensbezogene und altersgemäße Vorkehrungen, wie zum Beispiel Texte in leichter Sprache oder entsprechenden Informationstechnologien bei allen juristischen Verfahren  zu gewähren.

Die UN-Behindertenrechtskonvention wurde von knapp 160 Staaten und der EU ratifiziert und betrifft rund 650 Millionen Menschen, sie ist geltendes Recht.
Trotz verschiedenster Menschenrechtskonventionen ist der Zugang zur Justiz für viele Menschen häufig mit unüberwindbaren Barrieren übersät.
Es mangelt an ausreichender Assistenz bei Gerichtsverfahren. Es mangelt an der Übersetzung von juristischen Texten in leichte Sprache, es mangelt an Informationen in einfacher Sprache. Es mangelt an barrierefreien Gerichtssälen, an barrierefreien Ämtern, es mangelt an ausreichenden menschenrechtskonformen Gesetzen, welche die voll umfängliche Teilhabe an juristischen Verfahren für alle Menschen sicherstellen. Aber vor allem: Es mangelt an effektiver menschenrechtlicher Ausbildung des gesamten juristischen, polizeilichen, des in den Gefängnissen arbeitenden Personals, um die Rechte von benachteiligten Minderheiten zu schützen.

Menschen, egal ob mit Behinderung oder ohne, haben in allen Bereichen des Lebens die gleichen Rechte. Niemandem darf es aufgrund seiner Herkunft, seines Geschlechts, seiner sexuellen Orientierung oder seiner ökonomischen Lage schlechter gehen, vor allem nicht beim Zugang zum Recht.
Was wir brauchen ist eine Vielfalt an bedarfsgerechten, qualitätsgesicherten Unterstützungsangeboten für Menschen beim Zugang zur Justiz. Wir brauchen gezielte Maßnahmen, um sowohl die physische als auch informelle Zugänglichkeit zur Justiz für alle Menschen zu sichern. Wir brauchen einen niedrigschwelligen Zugang zur Prozesskostenhilfe für Menschen, die in Armut leben.

Besonders Menschen, die z.B. in Deutschland unter gesetzlicher Betreuung stehen, darf der eigene Wille durch eine ersetzende Entscheidungsbildung nicht genommen werden. Die ersetzende Entscheidung ist hierbei durch eine unterstützende zu ersetzen. Hierzu sind entsprechende Trainings und niedrigschwellige Beratungsformen einzuführen.

Wir brauchen eine Unterstützung der betroffenen Person durch einen oder mehrere frei gewählte Assistenten und nicht einen richterlichen Beschluss, der das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen beschneidet. Hierzu sind neu zu entwickelnde Qualitätskriterien bei der Unterstützung zur rechtlichen Handlungsfähigkeit unabdingbar.
Erst wenn ein gleichberechtigter Zugang zur Justiz für alle Menschen keine menschenrechtliche Vision mehr ist und wenn „Recht zu haben“ auch  „Recht zu bekommen“ bedeutet werden wir einer inklusiven Gesellschaft ein großes Stück näher sein.