Menschenrechte und Versöhnungsprozess in Sri Lanka unterstützen

Katrin Werner, MdB

Protokollrede im Deutschen Bundestag am 28. Februar 2013, TOP 28


Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/in, liebe Kolleginnen und Kollegen,
es ist gut, dass wir heute über die aktuelle Situation in Sri Lanka diskutieren und die Kolleginnen und Kollegen von der SPD hierzu einen Antrag vorgelegt haben. Nach dem militärischen Sieg der sri-lankischen Armee über die tamilischen Rebellen im Frühjahr 2009 hat die öffentliche Aufmerksamkeit für das Land merklich nachgelassen. Die Zentralregierung hat den jahrzehntelangen bewaffneten Konflikt zwar militärisch gewonnen, gelöst ist er aber noch längst nicht. Hierfür müssten die Ursachen beseitigt werden. Der Grundstein für den Konflikt wurde von der ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien gelegt, indem diese die administrative Grenzziehung unter ethno-demografischen Gesichtspunkten manipulierte und die tamilische Minderheit gegenüber der singhalesischen Bevölkerungsmehrheit ökonomisch privilegierte. Dadurch konnte nach der Entkolonialisierung Sri Lankas die tamilische Bevölkerung leicht als vermeintliche Gegnerin der nationalen Unabhängigkeit und staatlichen Einheit stigmatisiert werden. Der sri-lankischen Regierung diente dies als Rechtfertigung für massive Unterdrückungsmaßnahmen und staatlich gelenkte Pogrome an der tamilischen Zivilbevölkerung. Als Reaktion hierauf formierte sich in Gestalt der „Liberation Tiger of Tamil Eelam“ (LTTE) ein bewaffneter tamilischer Widerstand, der über eine Massenbasis verfügte, mittels derer dann die militärische De facto-Abspaltung der Tamilengebiete Sri Lankas erst bewerkstelligt werden konnte. Die Frage von Ursache und Wirkung lässt sich somit eindeutig beantworten: Die sri-lankischen Regierungen haben den im Kern sozio-ökonomischen Verteilungskonflikt gezielt ethnisiert, um einen Krieg zwischen den Bevölkerungsgruppen anzuzetteln. Der Bürgerkrieg kam den singhalesischen Eliten gut gelegen, weil er ihnen die Möglichkeit bot, sich mithilfe autoritärer Methoden der Machtausübung nach Innen auf Kosten der eigenen Bevölkerung schamlos zu bereichern und hierfür die Tamilen als Sündenböcke zu missbrauchen. Während des jahrzehntelangen Bürgerkriegs wurden auf beiden Seiten schwere Menschenrechtsverletzungen verübt. In der Schlussphase des Bürgerkriegs haben sich nach Einschätzung der UNO und von internationalen Menschenrechtsorganisationen die Kriegsführungsmethoden der beiden militärischen Konfliktparteien nochmals brutalisiert: Die sri-lankischen Streitkräfte haben im Zusammenwirken mit singhalesischen Paramilitärs und Todessschwadronen bei ihrem Vormarsch eine Vielzahl von tamilischen Zivilistinnen und Zivilisten getötet und extralegale Exekutionen von Kriegsgefangenen durchgeführt, Krankenhäuser, Schulen und andere zivile Einrichtungen angegriffen und humanitäre Hilfe für die notleidende und traumatisierte Zivilbevölkerung verweigert. Das sind zweifellos schwere Kriegsverbrechen! Die LTTE hat ihrerseits Zivilistinnen und Zivilisten als menschliche Schutzschilde missbraucht, Fluchtversuche der Zivilbevölkerung mit drakonischen Strafen wie Erschießungen aktiv unterbunden und trotz aussichtsloser militärischer Lage Kindersoldaten zwangsrekrutiert.
Wenn wir heute über notwendige Versöhnungsprozesse zwischen Singhalesen und Tamilen diskutieren, müssen wir folglich immer bedenken, dass das schreckliche Kriegsgeschehen aufgearbeitet werden muss und sich die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in Sri Lanka grundlegend ändern müssen. Die aktuelle Menschenrechtslage ist dramatisch: Politische Auftragsmorde an und das Verschwindenlassen von Regierungskritikerinnen und Regierungskritikern sind an der Tagesordnung. Erst kürzlich wurde sogar die Oberste Richterin Sri Lankas, Shirani Bandaranayake, ihres Amtes enthoben, weil sie zwei Gesetzesvorhaben der Regierung wegen Verfassungswidrigkeit suspendiert hatte. Dieses Beispiel zeigt, dass in der Realität die Gewaltenteilung zugunsten der Exekutive aufgehoben ist. Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger, die sich insbesondere auch für die Rechte der tamilischen Bevölkerung einsetzen, werden meist pauschal der Unterstützung des Separatismus und der Propaganda für die besiegte, frühere Rebellenarmee LTTE bezichtigt. In den tamilischen Siedlungsgebieten werden von der sri-lankischen Regierung in großem Umfang gezielt Familien von singhalesischen Militärangehörigen angesiedelt, um die ethno-demografischen Mehrheitsverhältnisse in naher Zukunft umzukippen. Für die tamilische Bevölkerung sind dagegen kaum Arbeitsmöglichkeiten vorhanden. Besonders schwer haben es alleinstehende Tamilinnen, die während des Krieges ihre Männer und Söhne verloren haben. Sie leiden unter extremer gesellschaftlicher Ausgrenzung, da sie oft zur Armutsprostitution gezwungen sind. Viele von ihnen arbeiten aus schierer Not als Sexsklavinnen für singhalesische Soldaten, weil sie sich davon wenigstens den Zugang zu überlebensnotwendigen Gütern wie Nahrungsmitteln erhoffen. Eine öffentliche Aufarbeitung der Kriegsverbrechen hat bisher kaum stattgefunden. Gegen die Einsetzung einer unabhängigen Untersuchungskommission der UNO hat sich die sri-lankische Regierung vehement gewehrt und stattdessen zu Alibizwecken eine eigene Kommission gebildet, die erwartungsgemäß nur solche Erkenntnisse zutage gefördert hat, nach denen ausschließlich die tamilische Seite Verantwortung für begangene Menschenrechtsverletzungen zu tragen habe.
Vor diesem Hintergrund ist das bevorstehende Prüfverfahren vor dem UN-Menschenrechtsrat ein geeignetes Instrument, um auf internationaler Ebene auf die genannten Missstände hinzuweisen und Verbesserungen einzufordern. Der Antrag der SPD beschreibt im Feststellungsteil die gegenwärtige Situation zutreffend und seine Forderungen finden unsere Unterstützung. Da DIE LINKE stets in der Sache entscheidet, stimmt sie dem Antrag zu. Wir wären erfreut gewesen, wenn sich die SPD umgekehrt bei unserem Antrag zu Sri Lanka ähnlich konstruktiv verhalten hätte. Das Thema Menschenrechtsverletzungen ist viel zu ernst, um damit parteitaktische Spielchen auf dem Rücken der Betroffenen auszutragen. Vielen Dank!
Berlin, 28. Februar 2013