Katrin Werner: Erkennen und Verhindern von Neorassismus

Rede im Europarat: Erkennen und Verhindern von Neorassismus

Katrin Werner, MdB

Sehr geehrte Frau Präsidentin, (Sehr geehrter Herr Präsident),

sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

vielen Dank an die Berichterstatterin auch im Namen der Europäischen Linken für den Bericht. Wir stimmen in vielen Punkten überein.
Seit einiger Zeit können wir in Europa einen allgemeinen Rechtsruck beobachten. In vielen europäischen Ländern, wie in Frankreich oder Ungarn, äußert sich das in Wahlerfolgen von extrem-rechten oder rechtspopulistischen Parteien. In ganz Europa gab es in jüngster Vergangenheit große rassistische, fremdenfeindliche und homophobe Massenmobilisierungen. Diese haben tausende von Menschen auf die Straßen gebracht. In Dresden demonstrierten über Wochen hinweg jeden Montag mehrere Zehntausend Menschen gegen Flüchtlinge. Im Jahr 2014 haben sich in Deutschland Anschläge auf Unterkünfte für Asylbewerberinnen und –bewerber mit 162 im Vergleich zu 2013 fast verdreifacht. Diese Beispiele zeigen uns eines ganz deutlich: Rassistische und menschenverachtende Einstellungen sind längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen! Sie drohen wieder salonfähig zu werden! Dagegen müssen wir vorgehen und deshalb ist dieser Bericht, den wir heute hier diskutieren, so wichtig!

Frau Santerini, Sie gehen in Ihrem Bericht ausgiebig auf gesetzgeberische Maßnahmen ein, mit denen gegen „Hassreden“ (hate speech) vorgegangen werden kann. Einen besonderen Fokus legen Sie darauf, dass diese Maßnahmen in Widerspruch zur freien Meinungsäußerung geraten könnten. Für mich ist ganz klar: Gegen öffentlich geäußerte menschenfeindliche Positionen muss Stellung bezogen und vorgegangen werden! Der Fokus sollte dabei jedoch nicht auf juristischen Mitteln liegen.

Wir sollten unser Hauptaugenmerk auf das zivilgesellschaftliche Engagement der Menschen legen, die sich gegen rassistische und menschenfeindliche Bestrebungen stellen. Wir brauchen einen antifaschistischen Widerstand, der von der europäischen Gesellschaft ausgeht. Dazu ist es notwendig, dass sich die verschiedenen diskriminierten Gruppen zusammenschließen um gemeinsam und länderübergreifend vorgehen. Die Politik sollte daher in erster Linie Maßnahmen ergreifen, die darauf abzielen zivilgesellschaftliche Gruppen und Vereinigungen, die sich aktiv gegen rechtsextreme Aktivitäten engagieren, zu unterstützen und zu fördern.

Ich möchte hier auch noch einmal betonen, wie wichtig die politische Bildung ist. Sie ist das effektivste Instrument gegen demokratie- und menschenfeindliche Orientierungen, wie verschiedene Studien belegen. Durch sie kann eine Normalisierung von menschenfeindlichen Einstellungen verhindert werden. Darüber hinaus ermöglicht sie es den Menschen Phänomene menschenfeindlicher Einstellungen richtig zu erkennen und entsprechend zu handeln. Wir sollten daher die politische Bildung in den Schulen und der Erwachsenenbildung ausbauen und stärken.

Frau Santerini, Sie haben recht, wenn sie die Weltwirtschaftskrise in Ihrem Bericht als eine Ursache der zunehmenden Verbreitung von rassistischem und anderen menschenfeindlichen Gedankenguts benennen. Viele Menschen suchen in diskriminierten gesellschaftlichen Gruppen die Sündenböcke für ihre eigene schlechte ökonomische Lage. Hier kann wieder einerseits auf die Notwendigkeit politischer Bildung verwiesen werden, andererseits müssen wir auch am Wirtschaftssystem ansetzen. Eine Wirtschaft, die auf dem Prinzip

der Konkurrenz basiert, produziert notwendigerweise Armut und Ausgrenzung. Wir brauchen stattdessen eine solidarische

Gesellschaft, in der nicht die Interessen der Wirtschaft, sondern die der Menschen im Mittelpunkt stehen! Nur auf dieser Grundlage können rassistische und andere menschenfeindliche Einstellungen endgültig aus der Welt geschafft werden!
Vielen Dank!

 

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