Rede im Europarat: Prostitution ist nicht gleich Menschenhandel

Katrin Werner, MdB

(gehalten in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates)

 

Sehr geehrter Herr Präsident,

sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Vielen Dank, Herr Mendes Bota, auch im Namen meiner Fraktion, der Europäischen Linken, für diesen Bericht und Ihre Analysen, mit denen wir in vielen Punkten übereinstimmen.

Darüber, dass Menschenhandel bekämpft werden muss, sind wir uns natürlich alle einig. Doch ebenso, wie es „(…) aufgrund unterschiedlicher rechtlicher Ansätze und kultureller Sensibilitäten schwierig ist, ein für alle Mitgliedsstaaten geeignetes Modell für Rechtsvorschriften in Bezug auf die Prostitution vorzuschlagen“, wie Sie in Ihrem Bericht unter Punkt 8 völlig richtig feststellen, so gibt es auch keine einheitliche Fraktionsmeinung; das betrifft meines Wissens alle Fraktionen.

Sie gehen in Ihrem Bericht zwar darauf ein, dass Menschenhandel und Prostitution unterschiedliche Dinge sind, betonen aber trotzdem immer wieder Überschneidungen und verwischen damit existierende und sehr entscheidende Grenzen. Ich habe das Gefühl, dass diese Verwischung im Sinne der Grundaussage des Berichts erfolgt, nämlich, der Empfehlung, dem schwedischen Modell zu folgen.

Der Bericht postuliert: „Eine Kriminalisierung im Umgang mit Prostitution ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Bekämpfung“. Doch genau das ist m.E. ein Trugschluss – Prostitution auf der einen und Zwangsprostitution auf der anderen Seite sind eindeutig zwei verschiedene Phänomene, haben unterschiedliche Ursprünge und bedürfen deshalb eines unterschiedlichen Umgangs und einer unterschiedlichen Analyse. Ich teile nicht Ihre Auffassung, das schwedische Modell der Strafbarmachung des Kaufs sexueller Dienstleistungen sei als effektivstes Instrument zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels zu erwägen.

Zwangsprostitution und Menschenhandel kann man nur dann effektiv bekämpfen, wenn man ihre Ursachen erkennt und bekämpft. Diese Ursachen, nämlich Rassismus, Flucht und Armut, werden in dem Bericht zwar erwähnt, scheinen mir aber zu kurz zu kommen.

Hier möchte ich mich auf den Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistung Deutschland beziehen, der erklärt, dass es sich, wenn es keine freiwillige Einwilligung zu einer sexuellen Handlung gibt, nicht um Prostitution handelt, sondern um Vergewaltigung. Das ist ganz klar ein Straftatbestand, auch wenn dabei Geld den Besitzer wechselt.

Prostitution ist eben nicht gleich Menschenhandel. Ihr Bericht enthält viele interessante Fakten und Analysen, wirft m.E. aber noch viel mehr Fragen auf, die sie z.T. selbst hineingeschrieben haben.

Sie persönlich sind, wie Sie im Ausschuss gesagt haben, der Meinung, das schwedische Modell sei gut und habe zu einem Umdenken in der schwedischen Gesellschaft geführt. Hat dieses Umdenken durch die Gesetzgebung stattgefunden? In wieweit sind Sexarbeit und Zwangsprostitution Thema der Öffentlichkeit? Wird darüber offen diskutiert und wird Prostitution dadurch verhindert? Oder ist die Sexarbeit vielmehr auch in Schweden in den informellen, den privaten Sektor übergegangen? Welche Auswirkungen hat das schwedische Modell auf den Sextourismus?

Sie gehen auf verschiedene Länder ein. Zu den Niederlanden sagen sie, 50% bis 90% der Prostituierten arbeiten nicht freiwillig. Heißt das umgekehrt, 50% arbeiten freiwillig? Oder sind es nur 10%?

Auch für Deutschland nennen Sie Fakten und Zahlen, die Sie aus der Presse beziehen. Nach Presseberichten, muss ich Ihnen als Kommunalpolitikerin sagen, wäre meine Heimatstadt ein Eldorado der Prostitution!

Vieles in diesem Bericht ist richtig, doch es werden auch viele Fragen aufgeworfen und es fehlen die wissenschaftlichen Nachweise sowie der Hinweis, dass die Schweiz und Deutschland föderalistische Systeme haben.

Ich werde mich bei der Abstimmung enthalten.