Religionsfreiheit im Iran stärken und Menschenrechte der Bahá'i wahren

Katrin Werner, MdB

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Leider müssen wir feststellen, dass sich die Lage der Menschenrechte im Iran in den letzten Jahren nicht verbessert hat. Die freie Meinungsäußerung, aber auch die Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit, sind weiterhin stark einschränkt. Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger müssen mit Überwachung und willkürlichen Verhaftungen rechnen. Oppositionelle, engagierte Frauenrechtlerinnen und Vertreterinnen und Vertreter von Minderheiten sind häufig Verfolgung ausgesetzt und werden zu drakonischen Gefängnisstrafen verurteilt. Des Weiteren gehört der Iran auch zu den Ländern, die weltweit die meisten Todesurteile vollstrecken.

Der Iran hat sowohl den Zivilpakt als auch den Sozialpakt ratifiziert. Deshalb sind diese Verträge für den Iran völkerrechtlich verpflichtend. Ausdrücklich unterstützten wir die Forderung im Antrag der SPD, bei bilateralen Gesprächen die Einhaltung dieser Pakte anzumahnen und Verletzungen des Rechts auf freie Religionsausübung oder des Recht auf Bildung zu thematisieren.

Die Gesetzgebung und die Rechtsprechung im Iran diskriminiert zweifellos Angehörige religiöser und ethnischer Minderheiten. Deshalb ist der Antrag „Religionsfreiheit im Iran stärken und Menschenrechte der Bahá’í wahren“ grundsätzlich zu begrüßen, da hierdurch eine Debatte im Bundestag über die Benachteiligung von Menschen aufgrund ihrer politischen und religiösen Überzeugung möglich wird.

Ausdrücklich unterstützt die Fraktion DIE LINKE die Forderung, dass alle Menschen ein uneingeschränktes Recht haben müssen, ihren Glauben frei zu leben und auszuüben. Dies schließt für uns selbstverständlich auch das Recht auf negative Religionsfreiheit, also das Bekenntnis gegen jede Religion, ebenso wie das Recht, die Religion wechseln zu können, mit ein.

Staaten haben auf der anderen Seite die Pflicht, sich gegenüber allen Glaubensrichtungen neutral zu verhalten. Die Fraktion DIE LINKE setzt sich seit ihrer Gründung für eine klare Trennung von Staat und Religion ein. Auch diese Forderung gilt für uns universal. Nur wenn ein Staat eine laizistische Grundausrichtung hat, kann wirkliche Religionsfreiheit, als individuelles und privates Recht, erreicht werden.

Von einer solchen Entwicklung ist der Iran, wie auch viele westliche Staaten, leider weit entfernt. Religiöse Minderheiten werden im Iran benachteiligt, häufig auch verfolgt. Gerade auch die Bahá’í werden in dem Land ihrer Religionsstiftung, dem ehemaligen Persien und heutigen Islamischen Republik Iran, massiv diskriminiert.

Die Geschichte der Bahá’í ist seit ihrer Gründung auch eine Geschichte von Verfolgung und Unterdrückung. Die Religionsgemeinschaft der Bahá’í wird selbst heute noch als Sekte diffamiert, übrigens auch in nicht wenigen westlichen Staaten. In vielen muslimischen Ländern begegnet ihnen häufig das Vorurteil, sie seien Apostaten, also vom "wahren Glauben" Abgefallene. Schon der Religionsstifter Mirza Husain Ali Nuri musste wegen massiver Anfeindungen im 19. Jahrhundert aus Persien fliehen.

Demokratinnen und Demokraten sind gefordert, wenn Menschen wegen ihres Glaubens, aber auch wegen ihres Nichtglaubens, diskriminiert werden. DIE LINKE verurteilt jeglichen religiösen Fanatismus und begegnet allen, die vom „einzig wahren Glauben“ sprechen mit kritischer Distanz.

Fundamentalistische Missionare kennen wir gerade auch aus dem fundamental-christlichen Umfeld mit allen ihren negativen Auswirkungen auf die jeweiligen Gesellschaften. Deshalb ist es für mich auch wichtig, dass wir allen Eiferern, egal ob aus dem christlichen, dem jüdischen, dem hinduistischen, wie aus dem muslimischen Glauben, mit aufklärerischer Kritik entgegentreten und die Errungenschaft und Bedeutung des Säkularismus für demokratische Gesellschaften hervorheben.

Religiösen Eiferern in christlichen Ländern steht DIE LINKE genauso skeptisch gegenüber, wie religiösen Eiferern in muslimischen Ländern. Hier darf nicht mit zweierlei Maß gemessen werden: Es sind zum Teil fundamentalistische, christlich-evangelikale Gruppen aus Europa und den USA, die in Afrika die massive Diskriminierung von pluralistischen Lebensstilen, sexuellen Ausrichtungen, aber auch von anderen Glaubensrichtungen, betreiben.

Alle Menschen haben ein Menschenrecht, ihren Glauben frei zu wählen, den Glauben zu wechseln oder auch eine neue Religionsbewegung zu gründen. Kein Staat hat das Recht, Menschen deshalb zu diskriminieren, zu kriminalisieren oder zu verfolgen. Gleichzeitig haben auch die Religionsgesellschaften die Pflicht, anderen nicht ihre religiösen Gesetze aufzuzwingen oder sie gegen ihren Willen an den eigenen Glauben binden zu wollen.

 

Heute leben etwa 300.000 Bahá’í im Iran. Sie sind die größte nicht-muslimische Minderheit in dem 75-Millionen-Einwohner-Land. Im Gegensatz zu Christen, Juden und Zoroastriern sind sie jedoch keine nach der iranischen Verfassung anerkannte Gruppe. Hier setzt der SPD-Antrag an. Mit seiner Forderung, „die verfassungsrechtliche Anerkennung der Bahai’i als religiöse Minderheit anzumahnen“ geht der Antrag unseres Erachtens jedoch zu weit. Gut gemeint heißt aber nicht automatisch auch gut gemacht. Die Frage, ob religiöse Minderheiten verfassungsrechtlich anerkannt werden, sollte nicht durch Einmischung von Außen, sondern in einer souveränen Entscheidung der jeweiligen Staaten entschieden werden. Richtiger wäre hier die Forderung, dass alle Menschen im Iran ihre jeweilige religiöse Überzeugung frei leben und ausüben können.

Auch die Forderung nach „Freilassung aller politischen und aus Gewissensgründen Inhaftierter“ schießt über das Ziel hinaus. Richtig wäre hier die Forderung nach Freilassung aller gewaltfreien politischen Gefangenen. Wir alle wissen, dass aufgrund der wechselhaften Geschichte des Iran viele politische Oppositionsgruppen zum Teil mit massiver Gewalt um ihre Ziele gekämpft haben. Durch gewaltsame Aktionen gegen den iranischen Staat wurden in den letzten Jahrzehnten viele Menschen getötet oder verletzt. Deshalb erscheint die bedingungslose Freilassung von allen politischen Gefangenen, auch wenn sie zum Teil schwere Straftaten begangen haben, zumindest hinterfragbar. Auch in den Staaten der Europäische Union werden solche politischen Gefangenen keineswegs bedingungslos freigelassen.

Menschen müssen frei von Diskriminierung und Verfolgung leben können. Gleichzeitig erwarten wir jedoch von der deutschen Außenpolitik, dass menschenrechtliche Forderungen nicht als Instrument für die Durchsetzung von geostrategischen oder hegemonialen Interessen missbraucht werden. Eine Dämonisierung des Iran als Hort oder Achse des Bösen lehnen wir entschieden ab. Es muss auch im Fall des Iran versucht werden, die vorhandenen gravierenden Menschenrechtsprobleme mittels Dialog zu lösen. Menschenrechte haben eine zivile Logik und lassen sich nicht mit militärischen Interventionen von Außen erzwingen.

Es ist Aufgabe der deutschen Außenpolitik, die Menschenrechtsverträge in der internationalen Zusammenarbeit immer wieder anzumahnen und nicht aufgrund von wirtschaftlichen oder geopolitischen eigenen Interessen zu vernachlässigen und zu instrumentalisieren. Die Menschenrechtsverträge wurden geschaffen, um präventiv zu wirken und Menschenrechtsverletzungen zu verhindern.

 

Wenn jedoch durch die deutsche Außenhandelspolitik und die Waffenlieferungen an despotische Regime immer mehr die Glaubwürdigkeit deutscher Menschenrechtspolitik infrage gestellt wird, werden damit letztlich die Menschenrechte immer weiter ausgehöhlt.

Für die Fraktion DIE LINKE setzt deshalb menschenrechtspolitische Arbeit gerade auch in der deutschen Außenhandelspolitik an. Hier erwarten wir politische Kohärenz. Nur dann sind Forderungen nach Einhaltung der universalen Menschenrechte überhaupt glaubwürdig.

Berlin, 16. Mai 2013

 

Katrin Werner, MdB