Rede zum Antrag "Inklusionsbetriebe fördern"

Katrin Werner, MdB
Behindertenpolitik Katrin Werner

Sehr geehrter Herr Präsident, (sehr geehrte Frau Präsidentin)
sehr geehrte Damen und Herren,

vor wenigen Minuten diskutierten wir den Antrag der Linken  „Gute Arbeit für Menschen mit Behinderungen“. Dabei wurde wieder einmal ganz deutlich: Bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention fehlt nach wie vor  die Menschenrechtsperspektive!

Der UN-Menschenrechtsausschuss über die Rechte von Menschen mit Behinderung ist besorgt über die Sonderarbeitswelten in Deutschland. Er kritisiert die Doppelstruktur und finanziellen Fehlanreize, die Inklusion verhindern. Deutschland ist das Land in Westeuropa mit dem am stärksten ausgeprägten Sondersystem.

Aber was bedeuten der Regierung die Empfehlungen des UN-Fachausschusses?

Seit dem Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention vor über sechs Jahren hat sich bei der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an Arbeit und Beschäftigung am ersten Arbeitsmarkt nicht viel getan. Im Gegenteil: ihre Arbeitslosenzahlen steigen entgegen dem allgemeinen Trend weiter an und die Zahl der Menschen, die auf Sonderwege geschickt werden, nimmt zu.

Und jetzt sagen Sie uns bitte nicht wieder, wie schon beim letzten Mal, die Empfehlungen aus Genf würden sich auf den Staatenbericht von 2011 beziehen und seien quasi veraltet. Denn das sind sie nicht! Sie beziehen sich auf die Prüfung diesen Jahres und sind somit brandaktuell!

Ja, Menschen mit Behinderung sind nach wie vor überdurchschnittlich oft arbeitslos und das meist sehr lange.  Ihre Arbeitslosenquote ist doppelt so hoch wie die nicht behinderter Menschen. Sie werden nach wie vor ganz klar diskriminiert, sei es durch fehlende Unterstützung oder weil Arbeitsplätze nicht barrierefrei sind. Menschen mit Behinderungen haben immer noch oft mit Vorurteilen zu kämpfen. Hinzu kommt die mangelnde Sensibilisierung vieler Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen für ihre Kompetenz. Viele junge Menschen mit Behinderungen sind ausgezeichnet ausgebildet. Vor Arbeitslosigkeit schützt sie aber auch eine gute Ausbildung nicht.

Und dennoch, meine Damen und Herren der Koalition, Ihr Antrag greift viel zu kurz und kommt auch reichlich spät!
Ehrlich gesagt, er ist  ein wenig „Show“. Sie wollen zwar einerseits Integrationsunternehmen in Inklusionsunternehmen umbenennen, aber bei der Übersetzung der UN-Behindertenrechtskonvention halten sie eisern und stur an dem Begriff der Integration fest.
Warum ersetzen sie ihn nicht auch dort endlich durch Inklusion?

Die bereits rund 800 existierenden Integrationsunternehmen sind einfach nicht genug, da geben wir Ihnen Recht! Aber wieso beschränken Sie sich dann auf 150 Millionen Euro in den kommenden drei Jahren? Warum ergreifen Sie nicht mehr aus der Schatztruhe des Ausgleichsfonds des BMAS? Und wie wollen Sie denn noch in diesem Jahr die Integrationsunternehmen mit 50 Millionen entlasten?

Wenn Sie Integrationsunternehmen für langzeitarbeitslose Menschen öffnen, was geschieht mit den dort arbeitenden Menschen mit Behinderung?
Eine Förderung der Integrationsbetriebe allein reicht nicht aus. Wir brauchen eine strukturelle und schrittweise Umgestaltung des gesamten Werkstattsystems.

Integrationsfirmen sind für einen inklusiven Arbeitsmarkt fundamental wichtig. Sie tragen wegweisend zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben von Menschen mit Behinderungen bei.
Wir müssen sie wesentlich stärken!

Und deshalb wollen wir, DIE LINKE, bei der Umstrukturierung des derzeitigen Arbeitsmarktes für Menschen mit Behinderungen vor allem Dreierlei:

-    Wir wollen erstens, Integrationsbetriebe nicht nur durch eine bevorzugte Vergabe bei öffentlichen Aufträgen fördern, sondern zusätzlich durch Investitionsförderungen und Steuerentlastungen in der Gründungsphase langfristig unterstützen.

-    Wir wollen zweitens, ein Budget für Arbeit, das es jedem Arbeitnehmer und jeder Arbeitnehmerin erlaubt, ihren Arbeitsplatz frei zu wählen.

-    Wir wollen drittens, eine unabhängige verpflichtende Beratung durch Menschen mit Behinderungen, die Menschen bei der Ausübung ihres Wunsch- und Wahlrechts bezüglich Arbeit mit zahlreichen Alternativen unterstützt.

Die UN-Behindertenrechtskonvention wurde in Deutschland mit ihrem Inkrafttreten geltendes Recht. Dieses Recht gilt es jetzt endlich auch in Bezug auf einen inklusiven Arbeitsmarkt umzusetzen. Menschen mit Behinderungen müssen endlich mit entsprechender Unterstützung am allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein!

Liebe Regierungsmitglieder,
krempeln Sie die Ärmel hoch und erfüllen Sie ihre Hausaufgaben aus Genf!
Setzen Sie die Empfehlungen aus Genf und somit Menschenrechte endlich auch bei uns um!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!