Bundestagsbeschluss zum Völkermord an den Armeniern umsetzen

Katrin Werner,MdB

Anlässlich des 97. Jahresgedenkens an den Völkermord an den Armeniern erklärt Katrin Werner, Mitglied im Menschrechtsausschuss des Bundestags und der Parlamentarischen Versammlung des Europarats:

„Jedes Jahr am 24. April gedenken Armenierinnen und Armenier weltweit des Völkermords an ihren Vorfahren im Osmanischen Reich während des Ersten Weltkriegs. Die Verhaftung und Ermordung der intellektuellen, politischen und kulturellen Elite der Armenier in Istanbul bildete den Auftakt der von der jungtürkischen Regierung geplanten und durchgeführten Vernichtungsaktion. Insgesamt fielen bis zu 1,5 Millionen Armenierinnen und Armenier dem grausamen Vernichtungswerk zum Opfer. Deutschland war damals als engster militärischer Verbündeter des Osmanischen Reichs sowohl Mitwisser und teilweise auch Mittäter.

Meine aufrichtige Anteilnahme gilt den Nachkommen der Überlebenden und den Opfern des Genozids. Sie haben Anspruch darauf, dass die historischen Fakten vorbehaltlos anerkannt werden. Versöhnung kann nur gelingen, wenn das Verbrechen nicht geleugnet oder verharmlost wird. Niemand beschuldigt die Bevölkerung der heutigen Türkei für Taten des damaligen Regimes. Alle jüngsten Bemühungen der türkischen Zivilgesellschaft für eine ehrliche Geschichtsaufarbeitung verdienen den höchsten Respekt. Eine offizielle Anerkennung des Völkermords durch die Türkei als Rechtsnachfolgerin des Urheberstaats kann dies aber nicht ersetzen.

Aufgrund der historischen Mitverantwortung Deutschlands muss die Bundesregierung mit gutem Beispiel vorangehen und den einstimmig verabschiedeten Bundestagsbeschluss aus dem Jahr 2005 endlich umsetzen. Die Bundesregierung muss sich im Rahmen der Kultusministerkonferenz dafür einsetzen, dass der Völkermord in die Schullehrpläne der Bundesländer aufgenommen wird. Dies wäre weitaus nützlicher als Debatten um zusätzliche Parlamentsbeschlüsse und Strafrechtsverschärfungen wie in Frankreich, die das Problem nicht lösen. Anerkennung verlangt Aufklärung über die historischen Fakten.

Mit ihrer Blockadehaltung stiehlt sich die Bundesregierung jedoch lieber aus der politischen Verantwortung. Sie erleichtert damit dem Geschichtsrevisionismus Vorschub. Dies betrifft insbesondere auch deutsche Vertriebenenverbände, die versuchen, die Erinnerung an den Armeniergenozid für ihr notorisches Geschichtsklitterungsbedürfnis zu instrumentalisieren. Die Vertreibung der deutschen Minderheit aus mittel- und osteuropäischen Ländern war die Folge des von Deutschland entfesselten Eroberungs- und Vernichtungskriegs gegen diese Länder und nicht dessen Ursache. Die Singularität des Holocaust und der anderen Massenverbrechen des Hitlerfaschismus ist für Demokratinnen und Demokraten nicht verhandelbar.“