Parlamentswahlen in Georgien: Machtwechsel ohne Politikwechsel

Katrin Werner, MdB

„Die Georgierinnen und Georgier haben sich für den Meistbietenden entschieden“, kommentiert MdB Katrin Werner, Mitglied des Menschenrechtsausschusses und der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, den voraussichtlichen Sieg der Opposition bei den gestrigen Parlamentswahlen. Werner weiter:

„Nach der vorläufigen Stimmenauszählung ist klar, dass das oppositionelle Wahlbündnis „Georgischer Traum“ einen klaren Vorsprung vor der Regierungspartei „Vereinte Nationale Bewegung“ von Präsident Saakaschwili errungen hat. Der Wahlsieg der Opposition muss daher anerkannt, etwaige Verstöße und Manipulationen müssen aufgeklärt und gewalttätige Zusammenstöße vermieden werden. Sofern ein friedlicher Machtwechsel gelingt, hat Georgien einen wichtigen Demokratietest bestanden.

Der Wahlsieger der Opposition und voraussichtliche neue Premier, Bidsina Iwanischwili, tritt ein schweres Erbe an. Auch wenn der bekannt gewordene Folterskandal in den staatlichen Gefängnissen zuletzt viel Wasser auf die Mühlen der Opposition getragen hat, stellt die soziale Frage das weitaus drängendste Problem in Georgien dar. Über die Hälfte der georgischen Bevölkerung lebt in Armut. Als milliardenschwerer Oligarch dürfte Iwanischwili aber vermutlich eher für die Kontinuität der hierfür verantwortlichen marktradikalen Politik stehen. Mit der Parlamentswahl hat allerdings nicht nur Präsident Saakaschwili, sondern auch der Neoliberalismus seinen Zenit überschritten. Der soziale Protest hat wesentlich zum Sieg der Opposition beigetragen, weil Inwanischwili als reichster Kandidat den Wählerinnen und Wählern am meisten versprochen hat. Den Erwartungen an ihn könnte schnell Ernüchterung folgen.“