Urteil gegen Pinar Selek offenbart Gesinnungsjustiz

Katrin Werner, MdB

„Die Türkei verabschiedet sich immer deutlicher von einer Demokratie“ kommentiert MdB Katrin Werner, Länderberichterstatterin der Linksfraktion für die Türkei im Menschenrechtsausschuss des Bundestags, den Urteilsspruch gegen die im Exil lebende, prominente Schriftstellerin und Soziologin:

„In dem gesamten Verfahren gegen Pinar Selek wurden von Anfang an elementarste rechtsstaatliche Grundsätze über Bord geworfen, um einen politisch motivierten Schuldspruch zu begründen. Geständnisse von Zeugen wurden bekanntermaßen unter Folter erzwungen, Pinar Selek wurde während ihrer Untersuchungshaft auch selbst gefoltert. Zu der Explosion in Istanbul 1998, die den Ausgangspunkt der Anklage bildet, liegen mehrere Gutachten vor, die darlegen, dass es sich nicht um einen Anschlag gehandelt habe, sondern vermutlich um einen Gasunfall aufgrund eines technischen Defekts. All dies hätte in einem normalen rechtsstaatlichen Verfahren zwangsläufig Berücksichtigung finden und zum Freispruch führen müssen.

Dass Pinar Selek dennoch in Abwesenheit schlussendlich zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt wurde, kann daher nur als Justizfarce bezeichnet werden. Sie gilt offenbar als „Staatsfeindin Nr. 1“, weil sie sich häufig unbequemen, gesellschaftlichen Tabuthemen wie dem Völkermord an den Armeniern, der ungelösten Kurdenfrage sowie Menschenrechtsverletzungen und sozialen Problemen gewidmet hat. Die Bundesregierung muss diesen Fall zum Anlass nehmen, um gegenüber der Türkei eindringlich die Einhaltung von rechtsstaatlichen Grundsätzen einzufordern. Sofern Pinar Selek dies selbst wünscht, sollte die Bundesregierung ihr politisches Asyl in Deutschland gewähren. Ihre Auslieferung an die Türkei muss nach dieser Justizfarce jedenfalls definitiv ausgeschlossen sein.“