Rede: Familien und Kinder nicht alleine lassen
Es ist gut, dass ein schrittweiser Plan zur Öffnung der Kitas und Schulen vorliegt und dabei auch Kinder, die unter schwierigen Bedingungen aufwachsen, im Vordergrund stehen. Es muss klar sein, dass die Zeitpläne korrigiert werden müssen, wenn sich das Infektionsgeschehen verschärft. Gleichzeitig brauchen wir mehr Unterstützung von Kindern und Eltern. Dazu braucht es ein Corona-Elterngeld und einen Rettungsschirm gerade für ärmere Familien.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit Wochen übernehmen Eltern zu Hause die Betreuung der Kinder, organisieren die Schule zu Hause, gehen aber auch weiter ihrer Erwerbstätigkeit nach. Das ist eine extreme Belastung für die Familien. Kinder sind, wie schon erwähnt, aus ihrem gewohnten Alltag gerissen. Sie dürfen ihre Freundinnen und Freunde nicht treffen, Spielplätze waren geschlossen, und Angebote der Kinder- und Jugendhilfe waren unerreichbar. Die Folgen der Krise wurden in die Familien geschoben und damit auch privatisiert.
Kitas sind, wie eben schon gesagt wurde, nicht nur Orte der Betreuung; sie sind Teil des Alltags der Kinder. Dort haben sie wichtige Bezugspersonen wie Freundinnen und Freunde, aber auch die Erzieherinnen und Erzieher. Für viele Kinder fällt gerade ein Großteil ihres Lebens weg. Welche Auswirkungen das auf sie hat und wie dem begegnet werden kann, wurde in den letzten Wochen kaum debattiert. Stattdessen redeten Politiker der GroKo wochenlang über Autohäuser, über Shoppingmalls. Wochenlang wurde Kindern und Eltern keine Perspektive gegeben. Familienministerin Giffey ist kein ständiges Mitglied im Coronakabinett. Gestern gab es den Autogipfel der Bundesregierung. Wann gibt es den Kindergipfel?
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich finde, das zeigt den Stellenwert, den die Situation von Kindern und Familien in diesem Krisenmanagement hat. Wir steuern auf eine Vertiefung der sozialen Spaltung zu. Die Folgen werden weitreichend sein; wir sollten dringend gegensteuern. Wir brauchen einen Rettungsschirm für Familien,
(Beifall bei der LINKEN)
um die sozialen und finanziellen Auswirkungen gerade auch für ärmere Familien abzufedern.
Es ist gut, dass nun ein erster Plan zur schrittweisen Öffnung der Kitas und Schulen vorliegt. Es ist auch gut, dass Kinder, die unter schwierigen Bedingungen aufwachsen, berücksichtigt werden. Es muss klar sein, dass die Zeitpläne natürlich korrigiert werden müssen, wenn sich das Infektionsgeschehen ändert. Gleichzeitig brauchen wir aber auch Konzepte, wie Kitas den Kontakt zu Kindern – und Eltern – halten können, die gerade nicht zur Kita gehen können. Keine Familie darf alleingelassen werden. Auf absehbare Zeit wird es – das wurde schon gesagt – keinen regulären Betrieb geben.
Schon vor der Krise hatten Familien große Probleme mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Derzeit können viele eben nicht auf die Unterstützung der Großeltern zurückgreifen. Kinder und Eltern brauchen aber eine Perspektive für die Rückkehr in ihren Alltag. Wir müssen für die Eltern zusätzliche Möglichkeiten schaffen; wir müssen ihnen die Möglichkeit geben, ihre Arbeitszeit zu reduzieren oder auszusetzen. Dafür brauchen wir das Coronaelterngeld, und zwar für die gesamte Dauer der Krise.
(Beifall bei der LINKEN)
Kurz zum Antrag der FDP, wobei vieles schon gesagt wurde.
Herr Seestern-Pauly, wenn Ihre Rede so im Antrag stehen würde, könnte man sich enthalten oder ihm zustimmen. Es war viel von Kindern die Rede. Aber – auch das wurde schon gesagt – Sie hinken der Diskussion hinterher: Manches ist bereits erfüllt. Ihr Antrag enthält aus unserer Sicht überhaupt keine soziale Perspektive. Sie schreiben es ja auch: „indem durch zusätzliche Betreuungsangebote die beschlossenen Lockerungen in der Wirtschaft begleitet werden und mehr Arbeitskräfte uneingeschränkt zur Verfügung stehen können.“
(Matthias Seestern-Pauly [FDP]: Das ist eine Komponente und nicht falsch!)
– Wir finden, diese eine Komponente zeigt aber, dass Sie die Wirtschaft im Blick haben. Wir werden dem Antrag nicht zustimmen, weil uns die Kinderperspektive völlig fehlt.
(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Der Staat wird das nicht alles zahlen können auf Dauer!)