"Das sind Menschenrechte und die unter so einen Mehrkostenvorbehalt zu stellen, das finde ich schon äußerst grenzwertig."

Katrin Werner, MdB

Heute fand im Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages eine knapp 70minütige Anhörung zu vier Oppositionsanträgen statt. Die Linksfraktion hatte ihre Anträge „Bundesteilhabegesetz zügig vorlegen – volle Teilhabe ohne Armut garantieren“ (Bundestagsdrucksache 18/1949) und „Programm zur Beseitigung von Barrieren auflegen“ (BT-Drs. 18/972) zur Debatte gestellt.
DIE LINKE hatte Nancy Poser, die am Amtsgericht Trier als Richterin tätig ist und sich im Forum behinderter Juristinnen und Juristen engagiert, als Sachverständige berufen.
Zu Beginn musste Frau Poser feststellen, dass sie die leider die einzige Sachverständige mit Behinderung in der Runde war. Anschließend sprach sie von ihrem Assistenzbedarf und beschrieb die Widrigkeiten im alltäglichen Leben. Sie kritisierte die Anrechnung von Einkommen und Vermögen für notwendige Teilhabeleistungen – insbesondere für persönliche Assistenz. Die Aussage der Bundesregierung, dass das Bundesteilhabegesetz keine neuen Ausgabendynamiken verursachen dürfe, wies sie zurück: „Wenn ich dann diesen Mehrkostenvorbehalt höre, der da herausgegeben wird, dann denke ich, es geht hier um Menschenrechte, die die UN-BRK vorschreibt. Das sind Menschenrechte und die unter so einen Mehrkostenvorbehalt zu stellen, das finde ich schon äußerst grenzwertig.“
Als Richterin stellte sie die Frage: Was sind uns Menschenrechte wert?
„Frau Poser stützt die linke Forderung nach einkommens- und vermögensunabhängigen sowie bedarfsgerechten Teilhabeleistungen“, so Katrin Werner, behindertenpolitische Sprecherin der Linksfraktion.
Auch eine Entscheidungsstelle, die die Anträge entgegen nimmt, den Bedarf ermittelt und die Leistungen gewährt, erachtete Nancy Poser aus Sicht der Betroffenen als sinnvoll - so auch bundesweit einheitliche Kriterien zur Anspruchs- und Bedarfsfeststellung. „Es ist im Moment sehr uneinheitlich und auch sehr unübersichtlich. Ich bekomme zum Beispiel Leistungen von der Pflegeversicherung, von der Beihilfe, vom Integrationsamt und vom Sozialamt. Diese Sachen laufen immer über mein Konto und über das Konto vom Leistungserbringer und vom Sozialamt.“
Von den übrigen Sachverständigen sprachen sich in ihren schriftlichen Stellungnahmen auch Frau Prof. Dr. Pfahl (HU Berlin), die BAG Selbsthilfe, die Lebenshilfe und der VdK für Teilhabeleistungen unabhängig von Einkommen und Vermögen aus. Der Vertreter des VdK betonte auf Nachfrage der Linksfraktion, dass alle zentralen Teilhabeleistungen im SGB IX festgeschrieben werden müssten. Darunter falle auch die Eingliederungshilfe, die aus dem SGB XII herausgelöst werden müsse.
Nancy Poser verwies in ihrem Beitrag darauf, dass für eine Teilhabe von Menschen mit Behinderungen auch die Schaffung von Barrierefreiheit wichtig sei. Es sei hier zwar schon einiges Positives geschehen, aber es seien nach wie vor noch sehr viele Barrieren im öffentlichen Raum vorhanden, die abgebaut werden müssten.
„Hier bedarf es größerer Anstrengungen, daher hat DIE LINKE ein Programm zur Barrierenbeseitigung von jährlich einer Milliarde in einem Zeitraum von fünf Jahren eingebracht“, fügt Katrin Werner hinzu.
In einigen Stellungnahmen wird die Kritik formuliert, dass die Forderung der Bundestagsfraktion DIE LINKE nach unverzüglicher Vorlage von Eckpunkten für ein Bundesteilhabegesetz durch die Bundesregierung den angelaufenen Beteiligungsprozess nur unnötig störe. Hier muss klargestellt werden, dass der linke Antrag für ein Bundesteilhabegesetz vor Aufnahme des Beteiligungsprozesses – sprich vor der ersten Sitzung der entsprechenden Arbeitsgruppe im BMAS – eingebracht wurde. Ebenso ist hinzuzufügen, dass seit Jahren der Handlungsbedarf offensichtlich ist und zahlreiche Stellungnahmen sowie Vorschläge von Verbänden der Menschen mit Behinderungen bereits vorliegen.
DIE LINKE begrüßt ausdrücklich den jetzt angelaufenen Beteiligungsprozess von Menschen mit Behinderungen und ihren Verbänden. Dies sollte nicht zuletzt heute deutlich geworden sein, da
für die Linksfraktion der Selbstvertretungsanspruch von Menschen mit Behinderungen gelebte Selbstverständlichkeit ist und sie die einzige Fraktion war, die eine Expertin in eigener Sache als Sachverständige berufen hat.